Erbschaftsteuer
Die zukünftige ertragsteuerrechtliche Belastung aufgrund einer im Bewertungszeitpunkt lediglich beabsichtigten, aber noch nicht beschlossenen Liquidation der Kapitalgesellschaft ist bei der Ermittlung des Substanzwerts als Mindestwert nicht wertmindernd zu berücksichtigen.
Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Der Unternehmensgegenstand der klagenden GmbH, war der Erwerb, die Verwaltung, die Veräußerung von Grundstücken und die Erstellung von Wohnungen. Geschäftsführer der Klägerin war die in 2012 verstorbene Verwandte (Erblasserin), die bis zu ihrem Tode auch Alleingesellschafterin war. Ihre Beteiligung ging im Wege der Erbfolge auf den Kläger über. Die GmbH verfügte bereits lange nicht mehr über einen operativen Geschäftsbetrieb, wobei das Anlagevermögen alleinig aus einem von der Erblasserin bis zu ihrem Umzug in ein Alten- und Pflegeheim selbst bewohnten Hausgrundstück, das weder vermietet wurde noch vermietbar war, bestand. Das Hausgrundstück wurde mit einem Erinnerungswert von einem Euro bilanziert. Das liquide Umlaufvermögen wurde in 2014 im Zusammenhang mit dem Liquidationsbeschluss ausbezahlt.
Das zuständige Finanzamt hingegen ermittelte in 2013 den Bedarfswert des Grundstücks mit 800 TEUR sowie den Wert der GmbH-Anteile auf 1.400 TEUR. Die Verwaltungsvermögensquote betrug demnach ca. 60 %. Im Zusammenhang mit der Anteilsbewertung war strittig, ob die auf die stillen Reserven im Grundstücks-Buchwert entfallende latente Ertragsteuerbelastung wertmindernd zu berücksichtigen war.
Zur Urteilsbegründung
Die zukünftige ertragsteuerrechtliche Belastung aufgrund einer im Bewertungszeitpunkt lediglich beabsichtigten, aber noch nicht beschlossenen Liquidation der Kapitalgesellschaft ist bei der Ermittlung des Substanzwerts als Mindestwert nicht wertmindernd zu berücksichtigen.
Der BFH hat nunmehr die Berechnung des Finanzamts bestätigt, wonach zukünftig anfallenden Steuern bei der gesonderten Feststellung des Werts der Anteile nicht zu berücksichtigen sind. Anteile an Kapitalgesellschaften sind mit dem gemeinen Wert zu bewerten, wobei die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft nicht unterschritten werden darf. Dieser Substanzwert bildet bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften die untere Grenze. Der sog. Liquidationswert stellt nur eine besondere Ausprägung des Substanzwerts dar. Er ist als Barwert der erzielbaren Nettoerlöse abzüglich Schulden und Liquidationskosten zu ermitteln und kann in den Fällen angesetzt werden, in denen feststeht, dass die Gesellschaft nicht weiter betrieben werden soll oder in denen sich die Gesellschaft in Liquidation befindet.
Zum Betriebsvermögen zählen grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze sowie Schulden und sonstigen Abzüge, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt oder zulässt. Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen rechnen hierzu u.a. alle Schulden und sonstigen Abzüge, die in der Steuerbilanz ausgewiesen sind. In der Handelsbilanz sind u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehört zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und ist auch für die Steuerbilanz zu beachten. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Ist die Verpflichtung am maßgebenden Stichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung nur unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass die Verpflichtung wirtschaftlich vor dem Stichtag verursacht ist. Die wirtschaftliche Verursachung einer Verbindlichkeit setzt voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Maßgebend ist hiernach die wirtschaftliche Bewertung des Einzelfalls im Lichte der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht.
Nach diesen Grundsätzen ist die zukünftige ertragsteuerrechtliche Belastung aufgrund einer im Bewertungszeitpunkt lediglich beabsichtigten, aber noch nicht beschlossenen Liquidation der Kapitalgesellschaft bei der Ermittlung des Substanzwerts als Mindestwert nicht wertmindernd zu berücksichtigen. Steuern, die aufgrund der Liquidation und der damit zusammenhängenden Aufdeckung stiller Reserven entstehen könnten, sind im Bewertungszeitpunkt weder als Verbindlichkeiten noch als Rückstellungen in der Steuerbilanz auszuweisen. Dem Ausweis als Verbindlichkeiten steht entgegen, dass diese Steuern zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden sind. Rückstellungen können nicht gebildet werden, weil zum Bewertungsstichtag das Entstehen nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Bei einer im Bewertungszeitpunkt lediglich beabsichtigten Liquidation lässt sich noch nicht absehen, ob, wann und in welcher Höhe es zu einer tatsächlichen steuerlichen Belastung kommen wird. Aufgrund einer bloßen Liquidationsabsicht sind zudem die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen von Ertragsteuern auf einen etwaigen künftigen Liquidationsgewinn noch nicht erfüllt.
Keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zur Berücksichtigung
Die Berücksichtigung etwaiger zukünftiger Steuerschulden ist auch nicht aus Verfassungsgründen geboten. Einen Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass alle Steuern zur Vermeidung von Lücken oder von Mehrfachbelastung aufeinander abgestimmt werden müssten, gibt es nicht. In einem Vielsteuersystem lassen sich Doppelbelastungen selbst dann nicht vermeiden, wenn jede Einzelsteuer für sich genommen folgerichtig ausgestaltet ist.